Sozialstaat...
Bereits seit 2004 sind auf dieser Seite die folgenden acht Absätze über ein Szenario zu lesen, wie es uns auch heutzutage leider noch sehr bekannt vorkommen muss. Lesen Sie also weiter - der Inhalt hat nichts von seiner Aktualität verloren; auf aktuelle Entwicklungen bezogene Anmerkungen zum Thema folgen danach...(*)
Wir wissen alle, dass es den Sozialstaat trotz grundgesetzlicher Verankerung in der Ausformung wie er in Deutschland die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert hat, nicht mehr geben wird. Auch hier werden - es sei beklagt - immer mehr amerikanische Verhältnisse eintreten. Es hätte nach diesseitiger Auffassung nicht so kommen müssen, wenn man rechtzeitig politische Fehler vermieden und sanktioniert hätte. Nunmehr kann die Regierungspartei heissen wie sie will, ein Staat der jahrzehntelang auf Kosten nachfolgender Generationen zukunftsblind Steuergelder verschleudert hat - nicht nur die Rentenversicherung lässt hier grüssen - wird früher oder später am Ende sein. Der Bund der Steuerzahler hat im August 2003 errechnet, dass bei monatlicher Rückzahlung einer Milliarde (= 1000 Millionen) die 1,3 Billionen EURO staatlicher Verschuldung (ohne Neuverschuldung) erst in 100 Jahren getilgt wären. Erschlagend! dass die öffentliche Hand “terminologisch” nicht pleite gehen kann - was freilich auch für unsere hoch verschuldeten Kommunen gilt - bedeutet nicht, dass sie nicht faktisch pleite sind. Jedes Unternehmen, das Verschuldungskonzepte, wie sie die öffentliche Hand seit Jahrzehnten mit sich führt, wahrgenommen hätte, wäre mit dem Insolvenzgericht und der Staatsanwaltschaft in unangenehme Berührung gekommen. Die öffentliche Hand, der längst in subtiler Form verfassungsrechtlich verankerte Haushaltsgrundsätze unterläuft, braucht sich hier keine Sorgen zu machen: neben unangenehmen Sparmassnahmen bleiben immer noch Neuverschuldung und der Griff in die Tasche des Steuerzahlers.
Richtig schlimm finde ich bei dieser Situation u.a. die Tatsache, dass Sozialhilfebetrüger in Florida von unseren Politikern mittlerweile medienwirksam zu dem Zweck aufbereitet werden können, lange gewachsene Grundsätze des Sozialstaates aufzuweichen und die ärmsten der Armen zu bestrafen, anstatt - was bereits seit vielen Jahren überfällig ist - nur die Missbrauchsverfolgung zu intensivieren und die überdurchschnittlich Verdienenden im Sinne der nach unserem Grundgesetz gebotenen Sozialbindung des Eigentums überdurchschnittlich steuerlich in Anspruch zu nehmen.
Unter der in unserem Lande zunehmend zu verspürenden Tendenz “Macht vor Recht” (aber bitte mit Schleier!) - von bösen Zungen auch Bush-Prinzip genannt - leiden nun einmal die schwächsten der Gesellschaft am meisten, die keine Lobby besitzen. Dies sollte ursprünglich die sozialstaatliche Komponente unserer Demokratie verhindern. Sie tut’s längst nicht mehr.
Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, ganz im Sinne unseres Grundgesetzes soziale Politik mit Kostendeckungstendenzen zu betreiben, wenn man die Finger von Spitzensteuersätzen liesse, die Vermögenssteuer wieder einführen würde u.ä. Dies allerdings könnte den falschen Leuten Angst machen. Und dies scheint für den Erhalt der Macht viel gefährlicher zu sein, als sich nicht an die Verfassung (Sozialbindung des Eigentums etc.) zu halten.
Es ist bitter, dass unsere Regierenden noch immer nicht begriffen haben, dass - und dies ist bereits seit langem absehbar - ein umfassendes, sozialverträgliches Konzept erarbeitet werden muss, mit dem die de facto immer weniger werdende Arbeit auf immer mehr Menschen verteilt wird. Hieran ändert auch der “demografische” Faktor nichts, nachdem die Verfügbarkeit von Arbeit noch schneller schwindet als die Nachkommenschaft der Deutschen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass Wettbewerbsfähigkeit ohne Computerisierung illusorisch ist und Computer Arbeitsplätze unwiederbringlich zerstören, so dass überkommene Mechanismen der Arbeitsmarktbelebung zum Scheitern verurteilt sind. Eine mithin informationstechnologisch ausgerichtete Gesellschaft braucht bis zu einem bestimmten Grad informations- und kommunikationstechnologische Fachkompetenz bei ihren Führungspersönlichkeiten, damit in diesem Bereich wesentliche Möglichkeiten technischer Machbarkeit vorzugsweise ohne den Umweg delegierter Vermittlung von Sachverstand zur Verfügung stehen. Hierdurch ergeben sich nicht nur kürzere Entscheidungs- und Reaktionsweg für eine wirkliche sozialverträgliche Steuerung des Gemeinwesens; es werden auch steuergeldfressende Fiaskos - wie diejenigen, die wir unter den Stichworten “toll collect”, “inpolneu” etc. in lebhafter Erinnerung haben - vermieden. Nur ein selbst informationstechnologisch durchgestyltes Staatswesen kann sparsame und schnelle Eingriffe in die Wirtschaft vornehmen, um Gefahren für den Sozialstaat zeitgerecht zu begegnen. Die heutige Wirtschaftspolitik des “try and error” mit Rezepten aus dem vergangenen Jahrtausend ist der heutigen, so schnelllebigen Zeit einfach nicht mehr gewachsen.
Hinzu kommt, dass wachsende Globalisierungstendenzen die Arbeitslosigkeit im Lande fördern, was seinerseits allmählich zur Zerschlagung der überkommenen Sozialsysteme beiträgt. Wenn sich Politiker von dramatisch zunehmenden Steuerfluchten reicher Unternehmer und wohlhabender Prominenter sowie ungebremsten “Machtreaktionen” der Arbeitgeberseite immer häufiger erpressen lassen, dann hat den Schaden die sozial schwache Seite zu tragen, nämlich die Arbeitnehmer und auch der Mittelstand. Während grössere Unternehmen in der Regel relativ problemlos ihren Standort wechseln können, ist die Bodenständigkeit von Arbeitnehmern und Mittelstand ungleich grösser. Den Arbeitsplatzwettbewerb in einer globalisierten Welt müssen sozial schwächere Schichten freilich nicht nur wegen der Abwanderung ihrer Arbeitgeber fürchten. Genauso wie es die Arbeitgeber an den Ort billiger Arbeitskräfte zieht, zieht es im Zeitalter der Globalisierung billige Arbeitskräfte offensichtlich an den Ort, an dem die noch verbliebenen Arbeitgeber im Lande Arbeit feil bieten. Dieser für die soziale Versorgung inländischer Arbeitnehmer extrem kontraproduktive Mechanismus der Globalisierung läßt sich nicht mit alten Rezepten kleinkarierter Wirtschaftspolitik und der scheinfortschrittlichen Erkenntnis, heutzutage müsste eben jeder für sich selber sorgen, ausräumen. Aber nicht nur deshalb bin ich ein Gegner der heutzutage vorwiegend im Interesse der sozial Starken eskalierenden Globalisierungsauswüchse. Die von den sich im Zugzwang befindlichen Politikern als Antwort erteilten, “künstlichen” Gegenmassnahmen gegen die unstreitigen Auswüchse der eskalierenden Globalisierung schaffen neue Probleme. Subventionen verzerren mehrheitlich eher die Wettbewerbssituation, als dass sie sie normalisieren. In der Not geschaffene Gesetzesbarrieren gegen die ungehemmte Infiltration überschwappender und vereinnahmender Märkte werden immer häufiger von voreilig geschaffenen, “aussernationalen” Kontrollgremien (Brüssel!) gekippt. Vieles sieht heute auch anders aus, als noch in den Zeiten überschwenglicher EUROPA-Euphorie. Und wie viel zu häufig in der Geschichte, sind wir wieder an dem rückschrittlichen Punkt angekommen, an dem die Kontrolle verlustig zu gehen und die Last auf den sozial Schwachen in unserem Lande überhand zu nehmen droht...
Ticker...
Jetzt ist es also amtlich: Hartz IV wird unser Land heimsuchen! Wir alle wissen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind und ohne einschneidende Reformen gar nichts mehr geht. Was aber de facto als bitterer Beigeschmack bleibt, sind die Tatsachen, dass die reicheren Schichten in diesem Lande viel zu gut wegkommen und diejenigen, die unser Land in mehr als zwei Jahrzehnten Hartz IV-reif gemacht bzw. heruntergewirtschaftet haben, nicht nur unbestraft bleiben, sondern (schon wieder) in den höchsten Tönen ihre Leistungsfähigkeit preisen. Daher verstehe ich jeden, der dieser politischen Gruppierung in ihrem Aufruf, endlich das Jammern einzustellen, die Gefolgschaft verweigert: Zum einen hätten wir an deren Stelle auch keinen Grund zum Jammern, während ohne Jammern - oder sagen wir besser Anprangern - die Fehlleistungen unserer Politiker noch mehr den verlogenen, unwidersprochenen Anstrich einer sauberen (sozial-)politischen Leistung erhalten. Es bleibt beim Wort eines bekannten, frühen Philosophen: “Die Qualität eines Staates bemisst sich danach, wie er mit seinen Armen und Schwachen umgeht!”. Entscheiden Sie also selbst über die Qualität dieses Staates...
Im Zuge des ausufernden Europa ist es nun amtlich: Die “britische-stämmige” Gesellschaftsform der Limited ist aus Gleichberechtigungsgründen auch in Deutschland zulässig. Für diese - wie die GmbH - nur beschränkt haftende Gesellschaft sind in Entsprechung zu “Sonderangeboten” geschäftstüchtiger Gründungshelfer lediglich 259.- EURO anzulegen und - im Gegensatz zur GmbH (z.Zt./2004 = 25000.- EURO) - bereits ab 1 EURO und 50 Cent Haftungskapital ausreichend. Ein bisschen genarrt muss sich ein herkömmlicher GmbH-Gründer schon vorkommen. Aber noch mehr dürfte es in Zukunft die Geschäftspartner und Kunden einer deutschen Limited treffen, wenn diese im Zuge von Fehlleistungen dieser “Gesellschaft mit beschränkter Haftung” auf ein Haftungskapital derselben zurückgreifen wollen...(*)
Wenn die Sparbeschlüsse der Bundesregierung im Jahre 2010 einer Kampfansage an das ohnedies von Armut benetzte Deutschland gleichkommt, sollte sich die Bundesregierung wirklich nicht wundern. Mehr zu kommentieren, würde ablenken von der Ungeheuerlichkeit der Nachricht...
Viele Menschen sehen die heutige Ausformung des Haifisch-Kapitalismus nicht mehr als brauchbare Basis für einen Sozialstaat an. Immer mehr Menschen teilen auch die Auffassung, dass in einem Lande, in dem noch Menschen hungern müssen, Multimillionäre nichts zu suchen haben, wenn das Land für sich Sozialstaatlichkeit beansprucht...
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