Hartz IV...
Bereits seit 2004 sind auf dieser Seite die folgenden vier Absätze zu lesen - Szenarien, wie sie uns auch heutzutage noch sehr bekannt vorkommen. Lesen Sie also ruhig weiter - der Inhalt hat nichts von seiner Aktualität verloren; auf aktuelle Entwicklungen bezogene Anmerkungen zum Thema folgen danach...(*)
“Hartz IV” - das Wort des Jahres 2004 wirkt bereits jetzt wie die Bezeichnung eines Klischees für das Anprangern sozialer Ungerechtigkeit. Leider ist Hartz IV tatsächlich ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Zerstörung essentieller, sozialer Verfassungsgarantien unserer (Schein-)Demokratie. Wenn ein Prof. Sinn als Berater der Bundesregierung - ebenso wie Herr Hartz - Regierung und Opposition davon überzeugen konnte, dass eine radikale Senkung der Arbeitslosenhilfe Langzeitarbeitsloser zwecks Reduzierung der Arbeitslosenzahlen den Anreiz zur Eingehung neuer Beschäftigungsverhältnisse fördert, so ist dies freilich eine Milchmädchenrechnung par excellence. Das gesamtheitlich auf der Unterstellung des unwürdigen Drückebergerprinzips beruhende Hartz IV-Konzept hat nämlich unabhängig von der Tatsache, dass Langzeitarbeitslose mehrheitlich mit Sicherheit arbeitswillig sind, mehr Neben- als Heilwirkungen für die Betroffenen. Anders sieht dies freilich für diejenigen aus, die massiv ihre Arbeitslosenstatistik auf Vordermann bringen wollen. Für diese Seite der Arm-Reich-Schere und ihre Einflüsterer bringt Hartz IV die Möglichkeit, eine ohnedies beeinträchtigte Bevölkerungsschicht zwecks Arbeitssuche unter Niveau durch das Land zu scheuchen, um sie dann dennoch - ungeachtet jahrzehntelanger Beitragszahlungen für das Auffangen genau dieses Notfalles - mit einem Hungerlohn abzuspeisen. Besonders in den Regionen, in denen kaum offene Stellen angeboten werden, wird Hartz IV seine sozialen Opfer hinterlassen, denn Hartz IV schafft eben keine neuen, menschenwürdigen Arbeitsplätze. Demgegenüber wird der ohnedies schwer angeschlagenen Inlandsnachfrage durch den Entzug weiterer Kaufkraft immens zugesetzt, während Arbeitgebern leicht vorstellbare Chancen des Missbrauchs offenbart werden. Es hätte meines Erachtens die Chance bestanden, Arbeitslosenhilfe auf einem Niveau einzupendeln, dass der Arbeitsanreiz nicht verloren gegangen wäre. Jetzt wird der Arbeitslose offensiv mit der Armut konfrontiert, damit er sich Arbeit sucht, mit der Folge, dass z.B. Arbeitslose in strukturschwachen Gebieten und nachvollziehbarer Bodenständigkeit bzw. mit Handycaps einer massgeblichen Lebenswertigkeit beraubt werden. Und das schlimmste bei der heute nicht zu verhehlenden Notwendigkeit, Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit ergreifen zu müssen: der reiche Teil der Bevölkerung wird erneut unter Bedarf in Anspruch genommen und diejenigen, die durch ihre politischen Fehlleistungen die aktuelle Situation wesentlich mitverursacht haben, sitzen mit einer dicken Pension unverurteilt in ihren Villen, von wo sie das Geschehen zwischen Sekt und Kaviar durchaus interessiert verfolgen. Angesichts der Ungeheuerlichkeit der eingetretenen Lage weise ich hier jeden Polemikvorwurf entschieden zurück...
Der aktuelle Kommentar:
Im Jahre 2004 vernahm ich von einem der leider immer weniger werdenden geschätzten Kollegen, die sich noch angestrengt um eine aufrichtige Sinneshaltung bemühen, etwa folgende Anmerkung: “Sieh Dir die Spass- und Blödgesellschaft an! Jetzt hat sie auf Veranlassung der Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort des Jahres gewählt: Hartz IV! Das Symbol für die Zerstörung des Sozialstaats und den dramatischen Einschnitt in die Lebensqualität von mehr als vier Millionen Bundesbürger, 1-Euro-Jobs und viele andere Katastrophen stehen an der Nummer 1 unserer Jahresabschluss-Hitparade 2004 für das bekannteste und meistgenutzte Unwort! Toll!”.
Ich konnte ihn verstehen. Sicher, ein bisschen Spass muss sein! Und Hitparaden, Quiz sowie etwas Voyeurismus gehören nun einmal dazu. Seit dem Jahr 2005 vergeht er allerdings einer sehr grossen Zahl von Mitmenschen jäh. Sie müssen entweder auf Sozialhilfeniveau versuchen, mehr zu leben als zu sterben oder sich in 1-EURO-Jobs unter Wert - evtl. sogar hier unter der bisherigen Definition des Existenzminimums - abrackern. Die Zusammenfassung dieser Situation gelingt mit einem Wort und einer Zahl: Hartz IV!
Wenn ich politisch tätig wäre, so sähe ich in der heutigen Situation nur noch einen mitmenschlichen Weg als Politiker: Das alles entscheidende Vertrauen zu den Regierenden, aber auch zwischen den Menschen mit aller Anstrengung und Mühe, die mir möglich sind, zurückzugewinnen. Hierzu gehört ohne Frage ein Beispiel und Vorbild in den Reihen der Regierenden, das das Volk respektieren kann. Nicht der Aufruf von Volksvertretern, die von den Bürgern Dinge verlangen, die sie selbst nie erfüllen würden oder bräuchten: nämlich z.B. das Jammern aufzugeben, alle Energien zu aktivieren und den Gürtel enger zu schnallen! Nein, ich würde - und dies ist ernst gemeint - als Politiker in diesen Zeiten deutliche, mitmenschliche Signale setzen und z.B. auf 30% meiner Diäten zugunsten sozialstaatlicher Belange und sozialstaatlichen Mitgefühls verzichten; und ich wäre hiernach immer noch reich genug entlohnt und müßte - würde ich meinen Kontostand auch noch so genau prüfen - immer noch nicht in Gejammer verfallen. Der eingangs zitierte Kollege antwortete mir auf diese Überlegungen: “Da wirst Du eher in Kürze die nächste Diätenerhöhung oder den nächsten Korruptionsskandal (Anmerkung des Verfassers zu einer Pressemeldung vom Dezember 2004: “CDU-Politiker erhält von Stromkonzern jährlich 60000.- EURO ohne erkennbare Gegenleistung” - leichte Betonung lag auf “erkennbare”) erleben, als dass einer unserer Politiker auf die Idee käme, tatkräftiges Mitgefühl mit dem Volk zu zeigen”. Warum muss er auch immer recht behalten ?(*)
Ungeachtet der vorstehenden Kritik verkörpert Hartz IV die Abkehr vom Leistungsgedanken für die Bürger, die im Zuge jahrzehntelanger Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung nach einem Jahr Arbeitslosigkeit (bei über 50-Jährigen nach 2 Jahren) auf das Niveau von beitragslosen Empfängern gesetzt werden können. Diese Wertung wird auch nicht dadurch gravierend relativiert, dass eingezahlt habenden Arbeitslosen zumeist noch ein 2-jähriger Zuschlag auf den Hartz IV-Tarif gewährt wird. Zu schwer wiegt die Tatsache, dass die leistungstreuen Mitbürger sehr lange Zeit hohe Beiträge in dem Glauben für die Arbeitslosenversicherung abgezweigt haben, dass sie hierdurch entsprechend gut für den Fall der Arbeitslosigkeit abgesichert seien...
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