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Degeneration, Ethik- und Demokratieverlust...

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Sterben der Aufrechten...

Bereits seit 2005 ist auf dieser Seite der folgende Text zu lesen; der Inhalt hat nichts von seiner Aktualität verloren; auf aktuelle Entwicklungen bezogene Anmerkungen zum Thema folgen danach...(*)

Mir fällt auf, dass ich in letzter Zeit immer häufiger älteren Menschen begegne, die sich aufrichtig Sorgen um die Zukunft der jüngeren Generation machen, weil die Jungen zunehmend einer auf politischer Ebene gebilligten Interessenpropaganda auf den Leim gehen, welche aus eigener Sachkenntnis heraus nur von den allmählich “wegsterbenden” Älteren widerlegt werden könne. Ich persönlich glaube auch, dass wir hier in verschiedenen Bereichen ein echtes Problem haben, das sich für unsere Nachfahren zur Katastrophe auswachsen kann. Warum also hören wir nicht auf unsere ältere Generation, die doch die besten Referenzen dafür vorweisen kann, dass wir ihr vertrauen können: Erfahrungen aus einem gelebten moral-ethischen Anspruch, von dem wir heute - selbst bei kritischer Betrachtung historischer Rückständigkeiten - nur träumen können ?

   Der desöfteren auf dieser WEB-Site wegen seines Einsatzes für wirkliche, demokratische Werte zitierte, bis dato letzte noch lebende Verfassungsvater, Hannsheinz Bauer, ist am 18.07.2005 im Alter von 96 Jahren verstorben. Herr Bauer war dem Autor dieser Seite als ein Mann begegnet, der sich nicht um medienwirksame Effekthascherei scherte, sondern so unumwunden wie mitfühlend für die betroffenen Menschen seine Meinung äusserte. Wer ihn einmal erleben durfte, dem ist klar geworden, von welch hohlräumigen, politischen Verpackungskünstlern wir heutzutage umgeben sind. Herr Bauer hat einmal gesagt, dass ein Politiker, der zuerst nach seiner Entlohnung fragt und dann erst nach seiner Aufgabe, seine notwendige Berufung verfehlt habe und von seinem Posten entfernt werden müsste. Wie voll - oder besser gesagt, wie leer wäre dann unser Bundestag ?...

   Die nachfolgenden Beiträge sind wieder einmal der Tageszeitung meiner Heimatstadt Würzburg entnommen, die auch die Heimatstadt von Hannsheinz Bauer gewesen ist. Das Redaktionsmitglied der Würzburger MAIN-POST, Herr Andreas Jungbauer, dem erneut mein Dank für die Erlaubnis der nachfolgenden Veröffentlichung gebührt - hat sich ebenso in besonderer Weise Herrn Bauer verbunden gefühlt. Ihm ist es zuzuschreiben, dass in den letzten Jahren zumindest in der Würzburger MAIN-POST dem “ganz normalen Wahnsinn” unseres politischen Alltags eine mahnende Stimme gegenübergestellt wurde, die wohl weder an Authentizität noch an Kommentierungskompetenz zu überbieten war. Noch kurz vor seinem Tod hat Herr Bauer Herrn Jungbauer zu den anstehenden Neuwahlen im September 2005 Rede und Antwort gestanden. Dieser Artikel und der Nachruf auf Herrn Bauer, der eine unermessliche Lücke hinterlässt, sind im folgenden nachzulesen.

MAIN-POST, 18.7.2005

„Von einem Bruch kann

nicht gesprochen werden“

Verfassungsvater Hannsheinz Bauer zu Neuwahlen

Das Gespräch führte

Andreas Jungbauer

Würzburg. Als letztes heute noch lebendes Mitglied des Parlamentarischen Rates hat der frühere Würzburger SPD-Bundestagsabgeordnete Hannsheinz Bauer 1948/49 am Grundgesetz der Bundesrepublik mitgeschrieben. Die aktuelle Diskussion um die Auflösung des Bundestages, Neuwahlen und eine mögliche Grundgesetzänderung verfolgt der 96-Jährige gewohnt kritisch.

Frage: Was hat Sie im Parlamentarischen Rat bewogen, eine Selbstauflösung des Bundestages im Grundgesetz nicht vorzusehen?

Hannsheinz Bauer: Wir standen in der Erinnerung an die unerfreulichen Abläufe im Weimarer Staat. Dort war es zu vielen Minister-Stürzen, Kabinetts- und Regierungsumbildungen gekommen. Sie beeinträchtigten beim Wählervolk den Glauben an einen kontinuierlichen, wirkungsvollen Leitungserfolg der Staatsbeauftragten.

Und um das politische System zu stabilisieren, wollten Sie die Regierenden nicht so leicht aus der Verantwortung entlassen  .  .  .

Bauer: Man war im Parlamentarischen Rat überwiegend der Meinung, eine angesehene wie kraftvolle und möglichst effektive Regierungstätigkeit gewährleisten zu sollen. Damit sollten die Wählerinnen und Wähler mehr Vertrauen in die zukünftige Entwicklung gewinnen.

Und wie sehen Sie die Situation heute?

Bauer:  Die politische Situation der letzten Zeit ist misslich. Da drängt sich die Frage auf, wieweit eine gewählte Regierung ihren Auftrag erfüllen und messbare Ergebnisse erzielen kann, die den Wählerinnen und Wählern nach dem Ablauf einer Legislatur eine deutliche Einschätzung ermöglicht. Nach meiner Meinung haben die drei bislang vorverlegten Neuwahlen aber keine grundsätzlichen Vorteile erbracht.

Sollte das Grundgesetz dennoch geändert werden und künftig eine Selbstauflösung des Bundestages ermöglichen?

Bauer: Ich meine, dass vom Prinzip her das Recht zur Beendigung einer Wahlperiode dem Parlament vorbehalten und nicht als letzter Instanz dem Bundespräsidenten anheim gegeben werden sollte. Unumgänglich scheint mir eine Grundgesetzänderung in dem Sinn, dass Barrieren gegen jene schädlichen Vorgänge eingebaut werden, die die Arbeitsmöglichkeit von Regierungen weitgehend lähmen und verhindern.

Welche Vorgänge meinen Sie konkret?

Bauer: Ich denke an die Blockaden über den Bundesrat, wenn die Entscheidungen dort bisweilen mit engstirnigen parteipolitischen Erwägungen Hand in Hand gehen. Grundsätzlich hat man davon auszugehen, dass in einem Staatsgefüge Katastrophen, ganz besondere Vorkommnisse oder umwälzende Erfindungen nicht in kurzen Zeiträumen und mit spektakulären Aktionen bewältigt werden können. Insofern sind kurzfristige Parlamentsauflösungen keine Lösung. Im Lauf der Geschichte hat sich erwiesen, dass stabile Regierungen mehr auf den Weg bringen als politisch inszenierte, aus dem Moment geborene Aktionen.

Wie bewerten Sie das Vorgehen Schröders juristisch? Hat er das Grundgesetz gebeugt?

Bauer:  Was die Rechtsproblematik einer Selbstauflösung des Parlaments angeht, ist nicht von einem Verstoß gegen das Grundgesetz auszugehen. Wo eine Art juristischer Freiraum besteht – also kein klar formulierter Gesetzestext an die Hand gegeben ist – gibt es einen Auslegungsspielraum. Insofern ist klar, dass von einem Bruch des Grundgesetzes oder einem Verstoß gegen demokratische Begriffe nicht gesprochen werden kann.

Können Sie den Schachzug des Bundeskanzlers politisch nachvollziehen?

Bauer: Der Schachzug des Bundeskanzlers – zumeist gesehen als Flucht nach vorne – ist unter den obwaltenden Umständen und aus dem Kalkül politischer Machterhaltung erklärlich. Das Vorgehen ist aus der Einschätzung heraus vertretbar, dass die verbleibenden Monate bis zur Neuwahl keine präzisen und vorzeigbaren Ergebnisse mehr auf den Tisch gebracht hätten.

Sie sind seit 75 Jahren Mitglied der SPD. Wie bewerten Sie die sozialen Kurskorrekturen im Wahlmanifest?

Bauer: Als Altpolitiker und Sozialdemokrat hätte ich den Wunsch, dass sich im Lauf der kommenden Zeit im Parlament ein starker linker Block entwickelt. Er allein wäre in der Lage, in einer Welt des ungehemmt freien, globalisierten Marktes unter dem Diktat der Wirtschaft einen weiter drohenden Sozialabbau einzudämmen. Dieser linke Block müsste dafür Sorge tragen, dass der Artikel 20 des Grundgesetzes (Die Bundesrepublik ist ein Sozialstaat) als Leitmotiv erhalten bleibt. In einer funktionierenden Sozialgesellschaft können Bereiche wie Gesundheit, Verkehr, Umwelt, Alterssicherung und Arbeitsmarktpolitik nicht allein von privater Hand ausreichend versorgt werden.

Zur Person

Hannsheinz Bauer

Der 1909 in Wunsiedel (Oberfranken) geborene Hannsheinz Bauer lebt seit seinem zweiten Lebensjahr in Würzburg. Seit 1930 SPD-Mitglied, musste er in der NS-Zeit sein Jura-Studium abbrechen und entkam nur mit Glück dem Konzentrationslager. Mit 39 Jahren war er eines der jüngsten Mitglieder des Parlamentarischen Rates (1948/49). Von 1953 bis 1972 gehörte er dem Bundestag, von 1958 bis 1973 dem Europarat an. Bauer ist seit 1947 verheiratet und Vater zweier Söhne.

 

MAIN-POST, 19.7.2005

Würzburger Verfassungsvater

Hannsheinz Bauer gestorben

75 Jahre lang überzeugter und kritischer Sozialdemokrat

Von unserem Redaktionsmitglied

Andreas Jungbauer

Würzburg.   Hannsheinz Bauer ist tot. Der frühere SPD-Bundestags- und Europaabgeordnete starb am Montag im Alter von 96 Jahren. Er war das letzte verbliebene Mitglied des Parlamentarischen Rates, der 1948/49 das Grundgesetz ausgearbeitet hat.

Noch in einem gestern erschienenen Interview mit dieser Zeitung hatte er die vorzeitige Auflösung des Bundestages und Neuwahlen verteidigt. Das Grundgesetz werde damit nicht gebrochen. Trotzdem solle in Zukunft der Bundestag selbst über eine Auflösung entscheiden.

Wegen der politischen Blockade-Situation und aus machtpolitischem Kalkül konnte Bauer den Schritt des Bundeskanzlers nachvollziehen. Schon in früheren Interviews hatte der Verfassungsvater Änderungen am Grundgesetz gefordert. So sprach er sich für eine Beschneidung der Kompetenzen des Bundesrates aus, weil dieser die Arbeit der Bundesregierung teilweise lähme.

Hannsheinz Bauer war Ehrenvorsitzender der unterfränkischen SPD. Die Parteizentrale in der Würzburger Semmelstraße ist nach ihm benannt. Seit 75 Jahren (!) gehört er den Sozialdemokraten an. Er spürte die Verfolgung in der NS-Zeit am eigenen Leib. 1938 wurde er von der Gestapo inhaftiert, nur mit Glück entkam er dem Konzentrationslager. Sein Jura-Studium musste er abbrechen, er wurde kaufmännischer Angestellter. Nach dem Krieg – das Würzburger Elternhaus war zerbombt – setzte er sich für den Wiederaufbau der Demokratie ein. 1946 wurde er in die Verfassunggebende Versammlung in München berufen, zwei Jahre später als 39-Jähriger und eines der jüngsten von 65 Mitgliedern in den Parlamentarischen Rat. Gerade zurück von einer Watzmann-Tour hatte der leidenschaftliche Bergsteiger von der Berufung erfahren. „Wie die Jungfrau zum Kind“ sei er dazu gekommen.

Nicht zuletzt durch seine parlamentarische Arbeit nach dem Krieg steht Hannsheinz Bauer exemplarisch für die deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts: Von 1946 bis 1953 gehörte er dem Landtag an, von 1953 bis 1972 dem Bundestag, von 1958 bis 1973 dem Europarat. Als dessen Vizepräsident hat er zeitweilig sogar die Ratssitzungen geleitet.

Bauer galt als überzeugter Sozialdemokrat, der auch in der eigenen Partei kein Blatt vor den Mund nahm. Er stand auf der Seite der Schwachen, suchte den Schulterschluss mit den Gewerkschaften und geißelte das allgemeine „Schnäppchen- und Vorteilsdenken mit Profitsucht.“

Im März hatte Bauer dem unterfränkischen SPD-Chef Walter Kolbow ein historisches Geschenk – nämlich seinen Originaldruck des Grundgesetzes mit seiner Unterschrift an erster Stelle – überreicht. Kolbow würdigte gestern den Verstorbenen als „großen fränkischen und deutschen Sozialdemokraten im 20. Jahrhundert, in dessen politischer und persönlicher Biografie sich Geradlinigkeit und Standfestigkeit, demokratische Überzeugungstreue und sozialdemokratisches Wertebewusstsein gleichermaßen widerspiegelten.“(*)

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