Strauss-Kahn...
Nach Herrn Türk und Herrn Kachelmann sieht sich im Mai 2011 der ehemalige Chef des internationalen Währungsfonds (IWF) Dominique Strauss-Kahn der Anschuldigung sexueller Übergriffe ausgesetzt. Den vorgenannten Personen ist gemeinsam, dass Sie aus Anlass einer Beschuldigung mit einer Sexualstraftat bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung gilt, durch die Medien einen Schaden erlitten haben, der einer Verurteilung nahe kommt. Der "Es-könnte-etwas-dran gewesen-sein-Effekt" wird durch eine sensationsgierige Berichterstattung, die mit Spekulationen angereichert ist, ohne Frage angeheizt. Die Tragweite der Problematik wird besonderen deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass sogar der Freispruch von Herrn Türk seine eingetretene “Beschädigung” kaum mehr beeinflusst hat. Selbst die Staatsanwaltschaften scheinen sich mit dem dargelegten Umstand abgefunden zu haben. Wie der Fall Kachelmann gezeigt hat, laufen auch Staatsanwälte im Gegenzug zu den Verteidigern zu medialer Hochform auf, um sich bestmöglich zu präsentieren - um nicht zu sagen sich bestmöglich zu “verkaufen". Es sind nicht nur die Vorverurteilung durch die Medien und die schillernde Medienpräsenz von “ehemals ehrwürdigen" Prozessbeteiligten, welche rechtsstaatlich bedenklich erscheinen. Ist es nicht schlichtwegs demokratiefeindlich und an sich auch als Verstoss gegen die Menschenrechte anzusehen, wenn sogar eine falsche Anschuldigung genügt, um einen Menschen vollständig "zu erledigen", während der Anschuldiger - unterstellt er verhält sich einigermassen clever - oftmals nur gewinnt ? Auch wenn man einer falschen Anschuldigung auf die Schliche kommt, kann der Anschuldiger seiner Bestrafung immer noch entkommen, wenn es ihm gelingt, glaubhaft zu machen, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Erfahrene Verteidiger wissen schon lange, dass die effektivste Art und Weise, einen anderen Menschen zu treffen, über die Täuschung von Ermittlungsbehörden und Gerichten führt. Muss nicht um so mehr alles Erdenkliche getan werden, damit diese Situation entschärft wird ? Auch wenn dies im Einzelfall zu einer kostenintensiveren, mehrfachen gutachterlichen Absicherung bei der Glaubwürdigkeitsbegutachtung u.ä. führt ? Gerade bei Sexualstraftaten, bei denen oftmals Aussage gegen Aussage steht, darf nicht leichtfertig Opferfreundlichkeit gezeigt werden. Der Verfasser dieser Zeilen ist der Auffassung, dass Sexualstraftaten wie Vergewaltigung (§ 177 StGB) an sich hierzulande noch viel zu geringfügig bestraft werden. In der Praxis liegt das wesentliche Problem allerdings darin, den zutreffenden Täter zu bestrafen. Daher ist auch den eingangs genannten Personen - selbst wenn sie wegen ihres Potentials, sensationsgierig vermarktbar zu sein, für die Medien ein noch so verlockendes Opfer darstellen - zuzubilligen, dass man ihre Persönlichkeitsrechte besser schützt. Es wird dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit kaum Abbruch getan, wenn sie erst von der Verurteilung eines Prominenten erfährt - der profitorientierten Sensationsgeilheit bestimmter Medien freilich würde dies schon “einen Abbruch” tun. Was uns in diesem Zusammenhang wichtiger ist, zeigt wiederum unser rechtsstaatliches und demokratisches Selbstverständnis. Dass “öffentliche” Personen Einschränkungen ihres Persönlichkeitsrechts hinzunehmen haben und sich nur sehr schwer dagegen wehren können, durch einen “öffentlichen Kakao” gezogen zu werden, ist bekannt und Erwerbsgrundlage der Boulevardpresse. Wenn hierdurch jedoch Kernbereiche des Persönlichkeitsrechts in massiver Form angegriffen und verletzt sowie rechtsstaatliche Mechanismen ausgehebelt werden, sollte sich das zwecks Erhaltung einer profitträchtigen Einnahmequelle vorgeschobene Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit allmählich seiner (grundrechtsimmanenten) Schranke gegenüber sehen...
Fazit: Leider zeigen nicht ohne Grund die hier thematisierten Gerichtsverfahren nach Auffassung vieler Mitbürger den Rechtsstaat auf dem Rückzug und die profitorientierte Einflussnahme der Medien weiter auf dem Vormarsch...
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