Musik...
Bereits seit 2006 sind auf dieser Seite die vier folgenden Absätze zu lesen - Szenarien, wie sie uns auch heutzutage noch sehr bekannt vorkommen. Lesen Sie also ruhig weiter - der Inhalt hat nichts von seiner Aktualität verloren; auf aktuelle Entwicklungen bezogene Anmerkungen zum Thema folgen danach...(*)
Sicher, über Geschmack kann man nicht streiten. Allerdings hat auch einmal ein nicht unbedeutender Musiker in diesem Lande im letzten Jahrhundert zum Ausdruck gebracht, dass eine lautformende Kunstform einen Mindestanspruch an Harmonik, Melodik und Rhythmik zu erfüllen hätte und getextete Musikformen eine massgebliche Botschaft vermitteln sollten. Letztere Anforderungen haben sich heute in verschiedenen Musikkategorien völlig verloren. Es reicht wahrlich bereits das Hauptkriterium von Wilhelm Busch ("Musik ist stets mit Geräusch verbunden!") aus, soweit Präsentationsrahmen und Suggestion stimmig sind. Tatsächlich ist das Niveau, auf dem heute über technische Mittel und Präsentationsform "aufgestylte" Geräuschschaffende zu "Musikern" erklärt und vermarktet werden, erschreckend. Ich verstehe, wenn wirkliche Könner wie etwa Don Henley (Eagles) oder auch Musiker aus dem klassischen Genre entsetzt berichten, dass ihnen heutzutage nur noch sehr selten ernst zu nehmende Instrumentalisten und Sänger auf den Fluren der Plattenfirmen begegnen. Vor Jahrzehnten wurden von den Plattenfirmen - insbesondere im Ausland - erhebliche Anteile des Etats in experimentelle Projekte mit Tiefgang investiert, was - insbesondere ausserhalb von Deutschland - zur kreativen Fortentwicklung von Musikstilen geführt hat. Mittlerweile - und in Deutschland schon von jeher - verstärkt sich der Eindruck, dass die Plattenindustrie nur nach dem extrem musikfeindlich degenerierten Motto agiert: Möglichst wenig investieren, möglichst viel finanziellen Erfolg - und zwar ohne Rücksicht auf musikalische Belange - herausholen!. Freilich werden erkannte oder "gepushte" Trends hiernach solange wie irgend möglich am musikalischen Leben erhalten, während Kreativität eher hinderlich erscheint. Die Folge ist, dass hervorragende Musiker - entgegen anders lautenden Behauptungen - häufig nicht einmal eine Chance erhalten. Ergebnis ist eine Musikszene, in der der öffentliche "Push" zählt, d.h. jeder Dreck kann zum "Kult" gemacht werden, wenn (bzw. damit) die "Kohle " stimmt, unmusikalische Schauspieler mit Öffentlichkeitsbonus stehen in überdurchschnittlichem Masse im musikalischen Rampenlicht und Musikstile entwickeln sich extrem technikorientiert. Letzteres wäre nicht zu beanstanden, wenn die Technik nicht gezielt zur Kompensation musikalischer Unfähigkeit und suggestiven Attacke gegen den Musikhörer genutzt würde. Heutige (volksdümmliche ?) Schlager und Pop werden extrem mit Stimmdopplern, Echo- und Hall stimmlich "aufgebrezelt", derart aufgenommene Stimmen werden digital passend geformt und geformte Ergebnisse werden hochkomprimiert, so dass Nachbar's Lumpi absolut Caruso-verdächtig aufbereitet werden kann. Nichts gegen "Veredelungsprozesse", wenn Sie vorhandenes Potential weiter potenzieren; wenn aber - wie heute verbreitet - die Substanz nur in der "Veredelung" liegt, ist diesselbige in ihrer anzustrebenden Form nicht vorhanden. Besonders in der heute üblichen, extremen (digitalen) (Mehrfrequenz-)Kompression von Musiktiteln, zeigt sich der generative Entwicklungsprozess: Kompressoren - bisher deswegen vor allem bei Werbe-Jingles eingesetzt - können heute Musiktitel derart bearbeiten, dass praktisch das gesamte gehörte Instrumentarium auf einem Lautstärke-Niveau liegt; letzteres ist in "natürlicher" Umgebung live niemals zu erreichen. Die insgesamt extrem "lautstärkedruckerhöhende" Wirkung, die jeder bei derartigen Titeln bei sich selbst nachvollziehen kann, entspricht einem aggressiven "Anspringen" der Gehirnwindungen und einem suggestiven "Festsetzen" des Songs. Selbst dümmlichste Melodieführungen wird man hiernach nicht so schnell los, was sich z.B. im Nachsummen äußert. Wirklich technisch gut gemachte Popmusik verzichtet meines Erachtens auf extreme (Mehrfrequenz-)Kompression, was sich in einer längeren Ausdauer beim Musikhören, aber auch - nach Meinung von Ohrenärzten und Psychologen - einer gesunderen und ausgeglicheneren Hörerschaft auswirkt. Leider geht der Trend auch hier in die falsche Richtung.
Eine Variante des oben beschriebenen Degenerationseffektes hat sich leider im Bereich des “mastering” von Aufnahmen moderner Musikstile entwickelt. “Mastering” bezeichnet man den letzten Schliff, den fertig gemischte Aufnahmen erhalten, bevor sie in die CD-Pressung gehen. Nachdem im digitalen Zeitalter eine “feste” Lautheitsobergrenze bei = 0 dBFS existiert, ist in den vergangenen Jahrzehnten unter den “masternden” Tontechnikern eine “Lautheitskrieg” entstanden, der das extreme Ausreizen dieser Begrenzung zum Ziele hat(te). Der Mensch hört Lautheit bei einem dynamischen Musiksignal prinzipiell in der Dimension der Durchschnittslautheit (RMS) des Signals. Immer effektiver arbeitende Kompressoren - sie wurden im digitalen Zeitalter der Computeraufnahme zunächst gebraucht, um zur Erreichung eines wärmeren und druckvolleren Klangbildes die “natürliche Kompression” der früher ausschliesslich benutzten Bandaufnahme zu simulieren - wurden schliesslich auch zur fortwährenden Erhöhung des Durchschnittslautstärkepegels benutzt, mit der Folge, dass der dynamisch wirksame Aufnahmebereich (Bereich zwischen leisestem und lautestem Musiksignal) immer kleiner wurde. Die Folge ist eine Aufnahme, die zunächst schnell “anspringt” und Aufmerksamkeit erweckt, dann jedoch eine schnelle Ermüdung der Ohren des Hörers hervorruft. Es stellt sich Langeweile ein, sobald sich das Ohr an den hohen Geräuschpegel gewöhnt hat, weil sich das “Gespanntsein” auf eine durch die Dynamik hervorgerufene Signaländerung verliert. Erfreulicherweise wird ein derartiger Missbrauch von Kompressoren von nahezu allen grossen “mastering engineers” abgelehnt; dennoch finden Monat für Monat immer noch sehr viele Titel ihren Weg in die Regale, die - um Aufmerksamkeit auf sich ziehen - so flach komprimiert wurden, dass sie nur ein paar dB Dynamik (Lautstärkeunterschiede) aufweisen; schlimmer noch - mittlerweile schrecken manche Tontechniker auch nicht mehr davor zurück, die 0-dBFS-Grenze insbesondere für kurzzeitige Spitzen (peaks) von Schlaginstrumenten mit der Folge einer unschön klingenden, digitalen Übersteuerung zu übersteigen. Dem weltbekannten “mastering engineer” Bob Katz gebührt die Ehre, aktiv in den Kampf gegen diese degenerative Entwicklung eingestiegen zu sein und Leitlinien aufgestellt zu haben, wie der “loudness war” endlich beendet werden könnte; nachdem jedoch der vorbezeichnete, psychoakustische Täuschungseffekt für Viele Vorteile verspricht, ohne eine gehobene (kulturelle) Leistung erbringen zu müssen, hat er keinen leichten Stand...
Fazit: Früher lautete die für einen wirklichen (kulturellen) Fortschritt sinnvolle Formel “Bekanntheit + eigenständig entwickelte Leistung = öffentliche Anerkennung”; heutzutage lautet ihre degenerative Abwandlung zumeist ”Bekanntheit + gezielt programmierte Auffälligkeit = öffentliche Anerkennung”!
PS: Die musikalische Antwort auf die “No Angels”, die “No Zicks” (zu deutsch: keine Zicken) wie auch die Antwort auf “Brosis“, die “Grappas” (zu deutsch: Grossmütter und -väter) sollen schon in den Startlöchern stehen, d.h. die Tontechniker und Videoproduzenten stehen schon fest...
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