Zivilcourage...
Aus Anlass der entsetzlichen Tat zweier Jugendlicher auf einem S-Bahnhof in München im September 2009, die den couragierten Beschützer von Kindern, die durch die Jugendlichen attackiert wurden, das Leben gekostet hat, ist erneut die Diskussion um das “Für und Wider” von Zivilcourage entbrannt. Während die “Angst ist ein schlechter Ratgeber”-Fraktion oftmals zu verkennen scheint, dass nicht jeder zum Held geboren ist und im Abwehrverhalten unbewusst zum Ausdruck kommende Ängstlichkeit die Sache in der Regel noch schlimmer macht, verklärt die auf totale Zurückhaltung bedachte Seite ihren Eigennutzgedanken mit eigener Bedrohtheit. Wie sooft liegt die Wahrheit zwischen den Polen: Nur deeskalotorisches Vorgehen, wie es auch Polizeibeamte lernen müssen, hilft gegen den selbstherrlichen wie auch verzweifelten Tätertyp. Dies funktioniert aber nur, wenn es sich die helfende Person zutraut, d.h. diesbezüglich überzeugend auftreten kann. Was viele Menschen heutzutage hieran hindert ist eine gewohnt egoistische Handlungsorientierung. Ändern wird auch dies massgeblich nur eine Umorientierung in der Gesellschaft wieder hin zu ethischen Grundwerten. Jemandem zu helfen bzw. helfen zu können, muss sich als ehrenvolle Pflicht empfinden lassen und nicht als Zuweisung des “schwarzen Peters” (“Sollen doch die anderen etwas tun”). Daher ist der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung auch nur als - was stets bedenklich ist - repressive “Keule” anzusehen, das, was nicht im wünschenswerten Umfange in der Gesellschaft entwickelt ist, mit Strafbarkeit zu erzwingen. Und wieder wird erkennbar: am Symptom wird gedoktert, statt die Ursache bekämpft!
Wie zutreffend die vorstehende These ist, wird auch an folgendem deutlich: Die Fernsehsendung “Aktenzeichen XY” vergibt immer wieder von Innenminister Schäuble begleitete, hochdotierte Ehrungen und Preisgelder für Handlungsweisen von Bürgern, die früher absolut selbstverständlich gewesen sind. Wie krank unsere Gesellschaft in dem genannten Sinne ist, zeigt sich an den diesbezüglichen Fallbeispielen aus dem Jahre 2009 besonders deutlich: Zwei Mitarbeiter eines Elektromarktes erhalten 10000.- EUR Preisgeld in Begleitung diverser Ehrungen, weil sie im Elektromarkt ein Kind mit blauen Flecken sehen, dessen Eltern sie beim Jugendamt anzeigen. In einem anderen Fall ruft die Insassin eines Nahverkehrsbusses die Polizei, nachdem sich ein junger Mann im Bus auffällig anzüglich mit einem Schulkind unterhält; auch hier Preisgeld und Auszeichnung. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: die “Helden” haben eine wichtige Reaktion gezeigt, die zu würdigen ist. Aber handelt es sich hier nicht tatsächlich um eine selbstverständliche Handlungsweise, deren Unterlassung vor dem Hintergrund einer aufgebauten ethischen Verpflichtung von der Gesellschaft verurteilt werden müsste; umso mehr, als die als Beispiel aufgeführten Handlungsweisen den “Helden” keiner Risiko abverlangt haben. Freilich, die Gesellschaft hat reagiert: mit Geldpreisen - zur Belohnung der “Helden” und Motivation anderer Bürger!
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