Demokratieckeck...
Auch wenn viele Nutznießer der aktuellen Verhältnisse die nachfolgenden Feststellungen als "Standpunktsache" und "Übertreibung" abtun, ich behaupte - ohne von geringsten Zweifeln geplagt zu werden - eine wirkliche demokratische Gesellschaftsform fordert kompromisslos fünf wichtige Voraussetzungen, die uns grossenteils abhanden gekommen sind: Transparenz - Aufrichtigkeit - Konsequenzen - Mitmenschlichkeit - Unmittelbarkeit.
1. Transparenz:
Der sogenannte mündige Bürger kann eine politische Wahlentscheidung nur dann mündig treffen, wenn er von ihm zu bewertende politische "Machenschaften" erkennen kann. Fest steht mithin, dass eine "mittelbare Wählertäuschung" vorliegt, wenn Politiker Tatsachen zu verschweigen bzw. zu unterdrücken versuchen, die ihre Wähler für wahlentscheidend halten. Umfragen haben ergeben, dass die meisten Bürger von Politikern in Vorstandsetagen Kenntnis haben, jedoch keine Vorstellung besitzen, in welchem Vorstandsmanagement die Politiker "ihrer" Partei (zu welchen Konditionen) tätig sind. Sehr bedauerlich - um nicht zu sagen ein Witz - ist in diesem Zusammenhang, wenn Politiker auf die “grosse Innovation” verweisen, dass Politiker Nebentätigkeiten im Internet ausweisen müssen, wenn völlig klar ist, wie viele Gefahren von Vorstandspolitikern ausgehen: unangemessene Vorteile für das von ihnen vertretene Unternehmen, noble Parteispenden des Unternehmens an die Partei des Politikers (die Parteispendenaffaire lässt grüssen), während der Vorstandstätigkeit keine Zeit als wirklicher Volksvertreter im Sinne des Wählerwillens tätig zu sein, u.s.w. Der Bürger wird sich also in der Regel darauf verlassen müssen, dass der von ihm gewählte Politiker “so was” schon nicht tun wird. Und das in einer Zeit, in der Politiker ja ein tief gehendes Vertrauen verdient zu haben scheinen (Herr Müntefering: “Wer glaubt denn heute wirklich noch , dass Wahlversprechen von Politikern ernst zu nehmen sind ?” - sinngemässe Wiedergabe). Es ist daher heutzutage nahezu unmöglich, von einem Wähler zu verlangen, "wohlwollendes Entgegenkommen" bestimmter Politiker in Richtung bestimmter wirtschaftlicher Interessenträger sachgerecht zu bewerten. Dieses eine Beispiel zeigt freilich nur die "organisierte" Spitze des Eisbergs: Die Mechanismen, wirtschaftliche Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen auszuschliessen, sind in den letzten Jahren nicht nur stetig schwächer geworden; es mehren sich sogar die Anzeichen, dass die Bemühungen politischer Mandatsträger zunehmen, Anstrengungen in eine "Entschärfung" ihrer Wähler zu investieren (Ottfried Fischer/Bulle von Tölz: "Wenn Wahlen etwas verändern könnten, dann wären sie schon längst abgeschafft worden!") und die gezielte Vereinnahmung von Lobbies intensiv zu fördern. Es soll in unserem Lande beispielsweise kirchliche Gemeinschaften, Bauernverbände u.ä. geben, die - entsprechend instruiert - ihren Mitgliedern die Wahl einer bestimmten politischen Gruppierung nahelegen; auch an Wahlhilfen für ältere Mitbürger, denen ein Vordruck mit der "bedienten Stelle" zum Kreuzchenmachen freundlicherweise zum Mitnehmen in die Wahlkabine überlassen wird, mangelt es nicht. Während den so von ihrem Fürsorgeträger Angewiesenen möglicherweise jedwede Transparenz "völlig wurscht" ist, sollten derartige Praktiken jedoch zumindest die Urteilsfähigkeit des tatsächlich mündigen Bürgers erreichen. Fazit: Wir haben der Negativtendenz, dass häufig der Volksvertreter am weitesten kommt, der am besten über die wahren Verhältnisse täuscht, nur wenig entgegenzusetzen.
2. Aufrichtigkeit:
Fest steht fernerhin, dass der mündige Bürger nicht unbewusst von eigennützig handelnden, politischen Parteien beeinflusst werden darf, während als solche erkennbare Beeinflussungsversuche so unvermeidbar wie für den (durchschnittlich kritischen) Bürger unschädlich sind, weil er sie bewusst vor dem Hintergrund parteilicher Interessen zu reflektieren vermag. Medial durchdrungene Politik ist heutzutage stets wirkungsorientiert ausgerichtet, wobei erkennbare Absicht Bürgernähe sein muss und angestrebtes Ziel Machterhalt darstellt. So beherrschen psychologische Phänomene die politische Show: ebenso wie der Konsument auf dem Unterhaltungs- und Werbesektor, wird der Wähler suggestiv an Schwächen und Trieben gepackt, damit er die Botschaft des Manipulators aufnimmt. Dabei ergibt sich erneut eine Art Wettbewerb, wer über die heutigen Massenmedien die grösste Aufmerksamkeit erreicht, wobei die einzig massgebliche politische Aussage häufig auf der Strecke bleibt. Wahlforschungsinstitute stürzen sich alsdann in Meinungsumfragen auf den Bürger “auf der Strasse”, um die Haltungsnoten des politischen Entertainers z.B. aus “Fernseh-Duellen” zu ermitteln. Weil diese doch so ungeheuerlich wichtig für das Bestreben sind, der Wahrhaftigkeit politischer Aussagen auf den Grund zu gehen. Der Umgang grosser politischer Parteien mit diesen Medien spiegelt nun einmal die Einschätzung der Parteien wider, wie hilfreich die Medien ihnen sind. Fazit: Die Medienlandschaft eskaliert fortlaufend, ohne dass die Politik selbst in originär staatlichen Aufgabenbereichen eingreift, während die politische Präsentation von medienfreundlichen Parteien über suggestive Aufmerksamkeitsfaktoren zu immer mehr sachfremden, subtilen Einflüssen auf angeblich demokratische Wahlen führt.
3. Konsequenzen:
Die Medien wiederum haben - wie sollte es in einem ausufernden kapitalistischen System anders sein - erkannt, dass sich sensationsgeile Profitorientierung auch im politischen Bereich lohnt, allerdings sind respektvolle Abstände einzuhalten, die das profitable Nebeneinander nicht gefährdet. Fazit: Die Medien sind heftigst und nicht gerade uneigennützig dabei, Missstände und Skandale aufzudecken, während sie vor einer Aufarbeitung derselben lieber sofort die nächste Sensation ansteuern ("Keinerlei adäquaten Verstoss-Konsequenzen in der Politik"). Manchmal drängt sich schon der Eindruck auf, dass das von der Presse für die Unantastbarkeit der Medien- bzw. Pressefreiheit beschworene Argument, sie hätte als “4. Macht” im demokratischen Staate eine wesentliche Funktion zu erfüllen, immer mehr in Richtung Alibi- bzw. Schutzbehauptung abgleitet...
4. Mitmenschlichkeit:
Der so von genügend "Aufrichtigkeit" der besonderen Art umgebene Bürger, fragt sich, welche Werte ihm denn hiernach von oben vermittelt werden, um seine Vorbilder zu sondieren. Alsdann sieht er sich im privaten und beruflichen Umfeld um, welche Erkenntnisse denn hier gewonnen wurden. Trauriges Ergebnis: Nur wer mit den Wölfen heult, kommt zu etwas, auch wenn die Leitwölfe anderen Wölfen das Heulen verbieten! Die Folge ist eine so egoistische wie misstrauische Einstellung der Bürger untereinander. Im Falle indizierter Mitmenschlichkeit fragen sie sich sofort: Was bringt mir dies ? Während sogar empfangene Mitmenschlichkeit mit dem Gedanken einhergeht: Was hat dieser Mensch für einen Hintergedanken dabei ? Furchtbar!
5. Unmittelbarkeit:
Schlussendlich ist festzustellen, dass der Bürger- auch wenn er seinem demokratischen Willen in dem zuvor beschriebenen Sinne tatsächlich (!) mit vollem “Durchblick”, frei und unbeeinflusst Ausdruck verleihen kann bzw. könnte - auf ein zur weitgehenden Verwischung seines Wählerwillens führendes Parteienmonopol trifft. Bekannte Verfassungsrechtler haben dieses System bereits vor vielen Jahren als “wählerentmachtendes Parteienmonopol”, bei dem nicht dem Wählerinteresse und Wählerwillen, sondern den Parteiinteressen gehuldigt wird, kritisiert. Hierzu kann nur angemerkt werden: Die Situation hat sich seither noch mehr - man möchte aus tiefster Überzeugung sogar sagen radikal - in Richtung “Scheindemokratie” verschlimmert! Fazit: Die Unmittelbarkeit der Umsetzung des Wählerwillens ist nicht nur gefährdet, de facto hat der Bürger angesichts der immensen, parteiinteressenbezogenen Machtausübung hierzulande keine (tatsächlich freie) Auswahl mehr!
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